Am 4. Mai 2014 wurde der Franz-Bobzien-Preis 2014 in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen verliehen. Willkommen in Oberhavel wurde mit dem 3. Platz bedacht, obwohl die Initiative den Kriterien des Preises nicht im engeren Sinn entspricht. Die Jury wollte damit ausdrücklich die Arbeit der Initiative gegen die ausgrenzende Politik der Kreisverwaltung würdigen.
Nachdem Carla Kniestedt vom RBB den Mut gewürdigt hatte, den diejenigen aufbringen, die in Supermärkten mit Gutscheinen bezahlen um Flüchtlingen mehr Möglichkeiten zum unabhängigen Einkauf zu geben, trat Hartmut Wihstutz, einer der Gründer der Initiative Willkommen in Oberhavel, ans Rednerpult und antwortete mit einer kritischen Danksagung:
Wir, die Initiative Willkommen in Oberhavel, danken der Stadt Oranienburg, der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen, dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg als Schirmherr und der Jury für die Verleihung des Franz Bobzien Preises, ebenso der Jury und denjenigen, die uns für diesen Preis vorgeschlagen haben. Es wird doch darin deutlich, dass immer mehr Menschen sehen, so wie mit Flüchtlingen hier bei uns von Seiten der Kreisverwaltung umgegangen wird, ist es nicht mehr tolerabel. Wir möchten eine Willkommenskultur hier, die niemanden ausgrenzt und erniedrigt. Das zeigt sich auch daran, dass inzwischen 160 Menschen regelmäßig mit Flüchtlingen Gutscheine tauschen.
Als wir, meine Familie und ich, vor 8 Jahren nach Oberhavel kamen, war im Ranking der Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe Brandenburg mit an der Spitze verzeichnet. Wenn heute Flüchtlinge zum Sozialamt, zur Ausländerbehörde oder zum Gesundheitsamt gehen, bedrängt sie Angst und sie müssen sich wie Bittsteller vorkommen. Weil offenbar von oben Durchführungsbestimmungen und Richtlinien vorgegeben werden, die den Menschen in Not – und das sind nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Hartz IV-Empfänger – deutlich machen sollen: Wir müssen sparen, ihr seid uns lästig, „Sozialschmarotzer“ oder „Sozialtouristen“! Wenn ihr euch anstrengen würdet, eine Leistung vorzuweisen hättet, dann könntet ihr auch zu uns , zu „Wir in Oberhavel“ oder „Wir in Brandenburg“ gehören.
Die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen widerspricht dem, was Franz Bobzien einst seinen mitgefangenen polnischen Jugendlichen versuchte zu vermitteln: nur durch Solidarität untereinander könnt ihr dem mörderischen System wiederstehen. Wenn aber heute Parteien mit „Wir in OHV“ für die Kommunalwahl werben und Flüchtlinge u. HartzIV-Empfänger gleichzeitig ausgrenzen oder andere meinen, mit dem Begriff „Gutmenschen“, die Solidarität untereinander diffamieren zu können, kann man sich nicht auf Franz Bobzien berufen.
Das Bemühen Rechtsextremismus politisch zu bekämpfen wird wenig Erfolg haben, wenn wir nicht erkennen, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen es sind, die Rassismus und Rechtsextremismus stärken, wenn nicht gar hervorbringen. Und das ist das Erschreckende, dass wir selbst Teil dieser Strukturen sind.
So muss sich auch die Stadt Oranienburg und der Landkreis fragen lassen, wo und wann setzt ihr euch in der praktischen Alltagsarbeit für „Wir in Oberhavel“ ein? Wo ist das Grundgesetz die Grundlage und Richtschnur für die politische Tätigkeit der Verwaltung und der Kreisregierung? Die Sonntagsreden und Wahlplakate wirken wie Hohn, wenn sie nicht im Umgang mit Menschen realisiert werden. Man verschanzt sich hinter Gesetzen und Ausführungsbestimmungen und leugnet die eigene Verantwortung. Aber: „die Würde des Menschen stellt den obersten Verfassungsgrundsatz dar, an dem folglich alle staatliche Gewalt ihr Handeln auszurichten hat“. Das diskriminierende Gutscheinsystem hat in diesem Rahmen keinen Platz.
Ich danke, dass Sie mir zugehört haben.
Beitrag vom 5. Mai 2014